Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine zentrale Klausel in fondsgebundenen Riester-Rentenverträgen der Allianz für unwirksam erklärt und damit die Position von Sparern gestärkt. Nach Angaben von tagesschau.de durften Versicherer den sogenannten Rentenfaktor bislang einseitig senken, wenn etwa die Lebenserwartung stieg oder Kapitalmarkterträge schlechter ausfielen. Für Kunden wie Hilmar Wolman vom Bodensee bedeutete dies spürbare Einbußen: Er schildert, er müsse „knapp 100 Jahre alt werden, um mein Eingezahltes wieder rauszubekommen“. Vom Urteil betroffen sind zwar konkret Verträge aus dem Jahr 2006, viele Experten rechnen jedoch mit Auswirkungen auf eine große Zahl ähnlicher Policen.
BGH betont Symmetriegebot beim Rentenfaktor
Im verhandelten Fall hatte der Lebensversicherer sich das Recht vorbehalten, den bei Vertragsabschluss zugesagten Rentenfaktor nachträglich zu senken. Dieser Faktor legt fest, welche monatliche Rente je 10.000 Euro Vertragsvermögen gezahlt wird – jede Reduzierung wirkt wie eine unmittelbare Rentenkürzung. Der IV. Zivilsenat des BGH stellte klar, dass solche Anpassungsklauseln nur zulässig sind, wenn sie nicht einseitig zu Lasten der Kunden gehen. Vorsitzender Richter Christoph Karczewski verwies auf das Symmetriegebot: Wer den Rentenfaktor bei Verschlechterungen nach unten anpasst, müsse Verbesserungen der Rahmenbedingungen in gleicher Weise nach oben weitergeben, berichtet tagesschau.de. Eine entsprechende Pflicht fehlte in den beanstandeten Vertragsbedingungen.
Verbraucherschützer sehen brancheneinheitliche Signalwirkung
Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die die Klausel als unfair einstufte. Abteilungsleiter Niels Nauhauser betont laut faz.net, ein Versicherer dürfe Leistungen zwar grundsätzlich senken, müsse sich dann aber „spiegelbildlich in transparenter Weise dazu verpflichten, die Rente wieder zu erhöhen, wenn die Umstände, die zur Kürzung der Leistung geführt haben, später entfallen“. Auch der Bund der Versicherten (BDV) spricht von einem wichtigen Erfolg für Kunden. BDV-Vorstand Stephen Rehmke rechnet damit, dass bis zu rund eine Million Verträge verschiedener Anbieter betroffen sein könnten. Denn ähnliche Formulierungen seien in der Branche bei Riester-, Rürup-, Betriebs- und privaten Rentenprodukten verbreitet gewesen.
Allianz verweist auf Renditechancen, BGH reicht Zusicherung nicht
Ein Sprecher des Konzerns hatte die Senkungen der Rentenfaktoren zuvor mit dem Ziel begründet, langfristig höhere Renditechancen zu ermöglichen und damit die Aussicht auf eine attraktive Zusatzrente zu sichern, so tagesschau.de. Nach Darstellung des Unternehmens war den betroffenen Kunden in einem Schreiben zugesagt worden, künftige Verbesserungen der Rahmenbedingungen ebenfalls zu berücksichtigen. Diese einseitige Erklärung stuften die Richter jedoch als unzureichend ein, meldet faz.net. Entscheidend sei, dass die Pflicht zur späteren Erhöhung klar und verbindlich in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelt ist. Ohne eine derart ausgewogene Mechanik verstoße die Klausel gegen Transparenzanforderungen und benachteilige Versicherungsnehmer unangemessen.
Welche Schritte Riester-Sparer jetzt gehen sollten
Für Verbraucher mit fondsgebundenen Riester-Verträgen lohnt sich nach Einschätzung von Experten ein genauer Blick in die eigenen Unterlagen. Nach Angaben von faz.net sollten zunächst die Vertragsbedingungen geprüft werden: Ist ein fester oder variabler Rentenfaktor vereinbart, und gibt es Klauseln, die eine nachträgliche Absenkung ermöglichen? Anschließend sollten ältere Standmitteilungen mit aktuellen Schreiben verglichen werden, um festzustellen, ob der Faktor im Lauf der Jahre reduziert wurde. Wer Kürzungen feststellt, kann sich an die Verbraucherzentrale oder an einen Fachanwalt wenden und Musterbriefe zur Korrektur nutzen, wie mainpost.de berichtet. Verbraucherschützer verweisen zugleich darauf, dass zunehmende Kündigungen der Riester-Verträge ein Rekordniveau erreichen – ein weiterer Hinweis auf den Reformbedarf des staatlich geförderten Modells.