Die gesetzliche Krankenversicherung steuert auf ein weiteres Rekorddefizit zu. Schon 2024 beliefen sich die Ausgaben der Kassen laut Focus auf 326,9 Milliarden Euro, für dieses Jahr werden rund 331 Milliarden Euro erwartet. Für 2026 klafft nach Einschätzung von Jens Baas, Vorstandschef der Techniker Krankenkasse, ein Loch von rund zehn Milliarden Euro. „Uns fehlen zehn Milliarden Euro“, so Baas im ARD "Bericht aus Berlin". Da kurzfristig kaum Einsparungen erreichbar sind, bleibt den Versicherern vor allem eine Stellschraube: höhere Zusatzbeiträge für die Versicherten.

3,2 statt 2,9 Prozent: Zusatzbeiträge steigen weiter

Die Bundesregierung hatte den durchschnittlichen Zusatzbeitrag für 2026 ursprünglich bei 2,9 Prozent veranschlagt. Tatsächlich liegt der Satz bereits jetzt im Schnitt bei etwa 3,2 Prozent, berichtet Focus. Die Spannbreite ist groß: von rund 2,18 Prozent bei günstigen Betriebskrankenkassen bis zu 4,4 Prozent bei der Knappschaft. Von 94 Anbietern haben bisher nur einige ihre Sätze für 2026 beschlossen: Drei senken, neun halten stabil, sieben erhöhen. Rechnet man den zusätzlichen Finanzbedarf von zehn Milliarden Euro auf das Gesamtsystem um, ergibt sich ein Plus von etwa drei Prozent – daraus ergäbe sich ein durchschnittlicher Zusatzbeitrag von ungefähr 3,25 Prozent im kommenden Jahr.

Was Versicherte konkret mehr zahlen müssen

Der erwartete Anstieg von durchschnittlich 0,09 Prozentpunkten beim Zusatzbeitrag wirkt auf den ersten Blick gering, belastet aber Millionen Versicherte. Nach Berechnungen von Focus zahlt ein Durchschnittsverdiener mit 52.000 Euro Jahresbrutto rund 23,40 Euro pro Jahr zusätzlich. Bei einem Einkommen von 30.000 Euro brutto steigen die Abgaben um etwa 13,50 Euro. Die Kosten tragen Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils zur Hälfte. Hinzu kommt: Für höhere Einkommen werden die Beitragsbemessungsgrenzen angehoben. Statt bisher 66.150 Euro gelten ab 2026 voraussichtlich 69.750 Euro als Obergrenze. Wer darüber verdient, muss allein durch diese Anpassung mit Mehrbelastungen von etwa 351 Euro pro Jahr rechnen.

Alternde Gesellschaft und teure Therapien treiben Kosten

Die Ursachen der Kostenexplosion liegen tief im System. Focus nennt drei zentrale Treiber: Die alternde Bevölkerung führt zu mehr chronischen und komplexen Erkrankungen, deren Behandlung deutlich teurer ist. Gleichzeitig müssen immer weniger Erwerbstätige die Gesundheitsausgaben einer wachsenden Zahl von Rentnern finanzieren. Hinzu kommt der medizinische Fortschritt: Innovative Medikamente, spezialisierte Operationen und personalisierte Therapien verbessern zwar die Versorgung, sind aber kostenintensiv. Zusätzlich müssen die Versicherer gesetzlich vorgeschriebene Mindestreserven wieder auffüllen, nachdem diese mehrfach unterschritten wurden. Allein das verschlingt mehrere Milliarden Euro Liquidität.

Sparpaket blockiert: Baas warnt vor Abgaben über 25 Prozent

Ein vom Bundesgesundheitsministerium geplantes Sparpaket von zwei Milliarden Euro sollte Klinikausgaben dämpfen und Beitragserhöhungen 2026 begrenzen. Der Bundesrat stoppte das Gesetz jedoch und verwies es in den Vermittlungsausschuss, meldet tagesschau.de. Für die Kalkulation der Kassen kommt eine mögliche Einigung zu spät. „Realistisch müssen wir schon im nächsten Jahr mit einer durchschnittlichen Beitragssatzerhöhung rechnen“, so Baas. Er spricht von „einem sehr ungesteuerten System“, das Ineffizienzen produziere und Patienten schade. Sollte die Politik nicht gegensteuern, könnten die kombinierten Abgaben für Kranken- und Pflegeversicherung laut Baas bis Ende der Legislaturperiode auf über 25 Prozent des Einkommens steigen.