„Promipool“: Hallo Conchita, die wohl sehr häufig von dir gehörte Frage zuerst: Ist Conchita für dich okay, oder wie würdest du wollen, dass man dich anspricht?

Tom Neuwirth alias Conchita Wurst (30): Ich sag‘ ja immer: Am Ende ist es Wurst! Ich hör auf alles, Conchita, Conchita Wurst, Tom, hey! (lacht) Conchita ist vollkommen in Ordnung.

Das Album heißt „Truth over Magnitude“, was sich ja mit TOM abkürzen lässt. Ist das so ein bisschen die Rückkehr zu Tom? Wie kam das?

Der Albumtitel kam von Eva Klampfer, die auch meine Texte und Melodien geschrieben hat, weil ihr im Zuge der Entwicklung kam: Es fühlt sich nicht an, als würde sie für Conchita Musik schreiben, sondern für Tom, weil die Geschichten so authentisch und aus meinem Leben sind.

Ich muss aber auch sagen, dass ich mich zurzeit sehr oft als Tom vorstelle. Es ist auch ein großer Teil von mir als Privatperson da drin, aber auch natürlich ein neuer Look, den ich mit diesem Album präsentiere.

Es ist mehr von dir als Privatperson in dem Album, wie meinst du das genau?

Von den Texten. Ich bin ja leider kein talentierter Songschreiber, habe aber mit Albin Janoska, der dieses Album produziert hat und mit Eva, die die Texte geschrieben hat, ein Team gefunden, bei dem ich Platz habe.

Bei dem es darum geht, Musik zu machen: Eva und ich haben in dieser Zeit fast ein Verhältnis von einer Therapeutin und ihrem Patienten geführt. (lacht)

Somit waren die Geschichten und die Dinge, die mir durch den Kopf gingen, die mir am Herz lagen, die mir in den letzten Jahren passiert sind – natürlich auch aus meiner privaten Sicht - im Album sehr präsent. Es ist definitiv das authentischste und privateste Album, das ich je veröffentlicht habe.

War das ein bewusster Schritt?

Ja, absolut! Als Conchita hatte ich für mich nach dem Song Contest das Konzept der Präsidentengattin erfunden. Und eine Präsidentengattin hat ein sehr strenges Protokoll und darf viele Dinge nicht.

Conchita hatte ich ja auch einen Fantasielebenslauf verpasst – das war alles eine Illusion, eine Seite von mir, die ich natürlich in mir trage, aber bei weitem nicht die ganze Bandbreite meines Charakters und künstlerischen Ausdrucks.

Jetzt habe ich verstanden, wenn mein Name an der Tür steht, dann muss der kreative Output von mir kommen. Die Welt in meinem Kopf muss auf der Bühne gezeigt werden.

Und das habe ich nach dem Song Contest nicht verstanden – ich hatte diese Riesenchance und ich dachte, dass es Profis in jeglicher Hinsicht besser wissen als ich. Vielleicht tun sie das auch, aber es war nicht meine Idee oder Vision. Daraus habe ich gelernt: Jetzt bin ich der kreative Kopf.

Müssen wir uns dann ganz von der glamourösen Conchita verabschieden?

Tatsächlich wollte ich das. Als das Album entstanden ist, hatte ich mir gesagt: Jetzt gibt es keine Perücken mehr und keine High Heels. Aber ich habe sie wiedergefunden und es ist schöner denn je. Ich freue mich sehr, wenn ich sie mal wieder ausführen darf.

Ich habe mir nie Regeln gesetzt und immer davon gesprochen, dass man sich keine setzen soll. Allerdings sind wir wohl alle gut darin, Ratschläge zu geben, aber man selbst setzt das in den wenigsten Fällen um. Bei mir war das genauso.

Jetzt weiß ich aber: Ich kann glamourös sein und Abendkleider tragen, aber gleichzeitig eine Netzstrumpfhose, Boots und einen String Tanga anziehen und das ist genauso „Ich“. Ich nehme mir nichts weg, im Gegenteil: Ich nehme alle Facetten wahr, die ich in mir trage.

Würdest du trotzdem die Personas trennen? Also Wurst und Conchita?

Das weiß ich noch gar nicht, das habe ich noch nicht herausgefunden. Für mich ist es Conchita, wenn es femininer ist – auch wenn ich mich mit dem Ausdrücken maskulin und feminin schwertue. Im stereotypischen maskulineren Look würde ich eher Wurst sagen. Aber eine Rolle spielt es eigentlich nicht.

Vielen Dank für das Gespräch!

Conchita Wursts neues Album „Truth over Magnitude“ ist ab Freitag, den 25. Oktober, erhältlich. Die Show „Queen of Drags“ läuft ab dem 15. November auf ProSieben. Im Frühjahr 2020 geht Conchita auf Tour.